Mehr als 60 Jahre ist es her, dass Ludwig Baumann das größte Unrecht seines Lebens widerfahren ist. Doch vergessen kann der 84-Jährige nicht. Während des Zweiten Weltkriegs hat Baumann zehn Monate in der Todeszelle gesessen, verurteilt wegen Fahnenflucht.
Dass ein Militärgericht ihn längst begnadigt hatte, das verschwieg man Baumann. »Jeden Morgen denkt man, jetzt holen sie Dich raus«, erzählt Baumann. »Und jeden Morgen bricht man zusammen, wenn die Wachen an der Zelle vorüber gehen.« Der kleine, drahtige Mann macht eine lange Pause. »Das vergisst man nicht. Niemals.«
Eingefangen, gefoltert, verurteilt
Knapp 18 Millionen Männer haben in der deutschen Wehrmacht gedient. Hunderttausend, so schätzen Wissenschaftler, wurden fahnenflüchtig. Die meisten hat man eingefangen, gefoltert, verurteilt. In den USA haben Militärgerichte im Zweiten Weltkrieg 146 Soldaten hinrichten lassen, in Großbritannien 40. In Deutschland hat die NS-Militärjustiz 30.000 Todesurteile gefällt. 20.000 wurden vollstreckt, so schätzt man, genaue Zahlen gibt es nicht.
Soldatenleiden
Die NDR Dokumentation zeichnet das Leben und Leiden von drei jungen Soldaten nach, die
nicht mehr mitmachen wollten, die ihren Eid auf Führer, Volk und Vaterland gebrochen haben. Drei Beispiele, die verdeutlichen, was ein Leben mit der Fahnenflucht bedeutete. Auch nach
Kriegsende galten Männer wie Ludwig Baumann in Deutschland als vorbestraft. »57 Jahre hat man uns als Vaterlandsverräter beschimpft«, so Baumann, »als Dreckschweine und Feiglinge«.
Dass die Urteile gegen Deserteure vor vier Jahren aufgehoben wurden, war für ihn und die anderen Überlebenden eine späte Genugtuung. Ein Triumph, den die meisten der ehemaligen Deserteure nicht mehr erleben durften.